Orgelvesper 12.03.3023

Der Besucherzuspruch für diese ausgewogene Orgel-Vesper war erfreulich groß. Alle Zuhörer erlebten einen besonderen, bewegenden und segnenden Hörgenuss bei den musikalischen Vorträgen zur Fastenzeit unserer hauptamtlichen Organistinnen.

Annemarie Bock sprach verbindende Gebete und Psalmen zu einzelnen Darbietungen. Das Bittende und Tröstende stand dabei im Vordergrund.

Hauptsächlich gehörte der Abend jedoch unseren Organistinnen Johanna Grießer, Elisabeth Engelsberger und Umi Stephan.

Johanna Grießer leitete die Orgelvesper am Abend des 3. Sonntags in der Fastenzeit mit der „Toccata in e“ von Johann Pachelbel (1653-1706) virtuos, fein registriert, schlank und durchsichtig ein.

Als zweites Stück wählte sie das Tomaso Albinoni (1671-1751) zugeschriebene Adagio in g-Moll, eine der populärsten Kompositionen der klassischen Musik, feierlich und klangsinnlich, stimmungsvoll und ausdruckstark zelebriert. Mit nüchterner Eleganz, in der Ausführung mit dem richtigen Maß der Zeiten jeder Note, interpretierte sie meisterhaft, gut geplant in der Registervorbereitung dieses für viele zu Tränen rührende, wunderbare Werk.

Als drittes Stück spielte sie die Choralbearbeitung BWV 639 „Ich ruf´ zu dir, Herr Jesu Christ“ von J.S. Bach (1685-1750). Diese langsame, sanfte und schlichte Melodie von Agricolas Hymne aus dem 16. Jahrhundert wird ebenso wie die weiche Melodie der Flöte durch das Pedal in einer ruhigen Fortschrittsbegleitung unterstützt. Ein Traum von Harmonie und Frieden. Johanna Grießer drückte mit ihrer Interpretation dieser Musik, all die Gefühle aus, die man oftmals so schwer in Worten ausdrücken kann. Absolut göttlich, weil die Noten wie die Hände für uns beten.

Elisabeth Engelsberger stellte sich als erstes mit J.S. Bachs „Adagio aus dem Concerto BWV 593“ vor. Bach hat sich bei diesem Stück mit der zeitgenössischen italienischen Musik Vivaldis beschäftigt. Das Stück ist im Grunde genommen die Transkription eines Konzertes für Soloviolinen und Streichorchester von Vivaldi. Und so ließ Elisabeth Engelsbergers sicher und gefühlvoll registrierend die unvergleichlich orgelgemäßen Spielfiguren Bachs erklingen und empfahl so die neue Linder-Orgel in St. Emmeram ihrerseits.

Als zweites Stück wählte sie die „Toccata per l´’Elevazione“ von Girolamo Frescobaldi (1583-1643). Frescobaldi nutzt Dissonanzen und Chromatismus, ein Symbol für Leiden und Härte im musikalischen Repertoire des Komponisten. Frescobaldis Toccaten mit ihren wie improvisiert wirkenden Läufen und Akkordbrechungen wurden auch für die folgenden Generationen zum Vorbild. Elisabeth Engelsberger gab der Orgel in der meditativen Elevations-Toccata, einem liturgischen Orgelstück zur Eucharistiefeier, durch die Akkordfortschreitungen in chromatischen Halbtonschritten eine ganz eigentümliche Färbung. Sie machte ihre mit spontaner Freiheit gespielte Frescobaldi-Vorstellung zu einer exemplarisch lustvollen persönlichen Interpretation, wie es der Komponist in seinen Spielanweisungen den Interpreten rät.

Zum Abschluss spielte Elisabeth Engelsberger die Choralbearbeitung „Vater unser im Himmelreich“ von Georg Böhm (1661-1773). Auch hier gab es wieder Musik, die aus der Seele klingt. Anfangs ein kurzer Bass und schon entschwebte das Thema. Ganz ruhig schreitend breitete es sich aus, bis es ganz still im dunklen, mystischen Kirchenraum verlöschte. In ruhiger, stimmiger Registrierung brachte Elisabeth Engelsberger, der Musik des Komponisten dienend, die Botschaft des „Vater unser“ in die Herzen der Zuhörer.                               

Umi Stephan spannte den Bogen der Passionsmusiken weiter mit dem von Franz Liszt (1811-1886) für Orgel vertonten lateinischer Hymnus „O crux ave“ auf das Kreuz Jesu Christi, den Venantius Fortunatus (ca. 530–609) verfasste. Der Hymnus gilt als ein herausragendes Beispiel der christlichen lateinischen Hymnodie. Umi Stephan spielte mit großer Vertrautheit und klarem Zugang zu Liszts eher kargen, andererseits aber auch reichen und wechselvollen Tonsprache.

Mit der schlichten Canzonetta aus 12 Meditationen op. 167 von Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) überzeugte Umi Stephan mit transparenten Orgelklängen und ausdrucksvollen melodischen Linien. Die Canzonetta zeigt eine intime Synthese von Barockformen mit der Melodienseligkeit der Romantik, welche Umi Stephan ästhetisch und klanglich hervorragend auf der neuen Linder-Orgel zum Ausdruck brachte.

Letztes Stück von Umi Stephan war „Per la Benedizione“ von Giovanni Battista Martini (1706-1784). Diese schöne und eingängige Orgelmusik mit vielen eindrucksvollen Verzierungen wirkte tatsächlich durch seinen schwebenden, tragenden Effekt und der Schlichtheit der Darbietung wie ein Segen für die Orgelvesperbesucher.

Mit großem, langanhaltenden Applaus und dem Segen von Pfarrer Guido Seidenberger wurde die Orgelvesper abgeschlossen.

Photo: Florian Eichberger

Richard Eschlbeck